Lohngleichheit zwischen Mann und Frau: Die Zürcher Bürgerlichen gehen trotz Sechseläuten in den Kantonsrat – und verhindern neue Auflagen für KMU Dieser Erfolg überrumpelte offensichtlich sogar die Handelskammer.

Dieser Erfolg überrumpelte offensichtlich sogar die Handelskammer.

Nicht immer sind es Frauen, die einen tieferen Lohn bekommen als ihre männlichen Kollegen; es gibt auch umgekehrte Fälle. (Foto: Tim Mossholder auf Unsplash)

Irgendwann hatte Monika Keller am Montag im Zürcher Kantonsrat genug. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Parlament bereits ausgiebig entlang erwartbarer Konfliktlinien über ungleiche Löhne von Männern und Frauen gestritten. Nicht nur darüber, ob die Differenzen vernachlässigbar sind oder nicht, sondern auch darüber, ob es überhaupt belegte Fälle von Diskriminierung gibt. Dann stand Keller auf.

Weniger, weil die FDP-Kantonsrätin aus Greifensee als promovierte Toxikologin erkannt hatte, dass diese Debatte unnötig vergiftet geführt wurde. Sondern mehr, weil sie jahrelang an der ETH die Stelle für Chancengleichheit von Frau und Mann geleitet hatte und daher mit den Fakten vertraut ist.

Also stellte sie klar, dass Lohndiskriminierung hinreichend belegt sei. Darüber müsse man nicht diskutieren. Sie empfahl allen, die es interessiert, die Datenbank der Fachstellen für Gleichstellung zu konsultieren: Dort seien 316 Diskriminierungsfälle dokumentiert.

Die entscheidende Frage ist für Keller, ob und wie die Politik darauf antworten soll. Es brauche nicht mehr Erhebungen und Bussen, ist sie überzeugt, sondern eine bessere Ausbildung der Personalverantwortlichen in den Betrieben. Denn Diskriminierung passiere dort oft unbewusst.

Mit diesem Aufruf zur Versachlichung stahl Keller der SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr die Show. Diese hatte im Wesentlichen das Gleiche sagen wollen und konnte jetzt nur noch ergänzen. Etwa, dass es auch Fälle gebe, wo Männer in sogenannten Frauenbranchen diskriminiert würden. Und dass es sich bei der Personalrekrutierung empfehle, die Angaben zum Geschlecht wegzulassen.

Linke und GLP wollten Lohnanalysen auch in kleinen Firmen

Auslöser der Debatte war ein Vorstoss der linken Parteien und der GLP gewesen, die eine Gesetzesänderung verlangt hatten: Unternehmen im Kanton Zürich sollten schon ab 50 Angestellten regelmässig die Lohnungleichheit in ihren Betrieben analysieren müssen. Auf Bundesebene wurde eine solche Pflicht 2020 für Betriebe ab 100 Angestellten eingeführt – eine Evaluation der ersten Ergebnisse soll in diesem Jahr folgen.

Die neue Regelung des Bundes ist in den Augen der SP-Kantonsrätin Michèle Dünki-Bättig aus Glattfelden ungenügend. Sie wies darauf hin, dass nur ein knappes Prozent aller Unternehmen in der Schweiz davon tangiert sei. Und dass die Lohngleichheitsanalysen daher nicht einmal die Hälfte aller Angestellten abdeckten. Deshalb solle Zürich auf kantonaler Ebene jenen tieferen Grenzwert durchsetzen, mit dem die Linke auf Bundesebene gescheitert war.

 

Andrea Gisler (GLP, Gossau) räumte zwar ein, dass sich ein Teil des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen durch objektive Faktoren wie unterschiedliche Ausbildungen oder Aufgabenbereiche erklären lasse. Es blieben aber ein paar Prozent Unterschied übrig. Dank einem kostenlosen Analyseprogramm halte sich der Aufwand einer Lohnuntersuchung auch für kleinere Firmen in Grenzen – die Menuplanung vor einem Betriebsausflug sei vermutlich komplizierter.

Gisler verwies darauf, dass mittlerweile auch in bürgerlichen Kreisen zusätzlicher Druck gemacht werde: Im Nationalrat ist letztes Jahr eine Motion der Mitte überwiesen worden, die das geltende Gesetz verschärfen will, indem sie Sanktionen fordert, wenn Firmen gegen das Gebot der Lohngleichheit verstossen. Sie ist im Ständerat hängig.

Mario Senn (FDP, Adliswil), der im Vorstand des Arbeitgeberverbands VZH sitzt, zeigte sich erstaunt, dass die Grünliberalen den linken Vorstoss im Kantonsrat unterstützten. Zehntausende Zürcher KMU würden dadurch unter Verdacht gestellt und mit zusätzlichen Auflagen gepiesackt.

Die Lohnanalysen, die aufgrund der Bundesvorschriften bisher gemacht wurden, haben laut Senn bloss unerklärte Lohnunterschiede im tiefen einstelligen Prozentbereich zutage gefördert. Er wies wie Jacqueline Fehr darauf hin, dass manchmal auch Männer davon betroffen seien.

Dieter Kläy (FDP, Winterthur) erinnerte als Co-Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands daran, weshalb eine Lohnanalysepflicht für Unternehmen ab 50 Angestellten auf Bundesebene verworfen worden war. In solchen Firmen gebe es oft keine zwei identischen Jobprofile, die sich einfach miteinander vergleichen liessen. Die Kontrollen brächten daher wenig – und die Kosten dafür blieben dennoch am Betrieb hängen.

Den Ausschlag gaben die Mitte und die EVP

Entscheidend war am Ende aber, dass sowohl die Mitte als auch die EVP sich gegen den Vorstoss aussprachen. Die einen folgten der Argumentation der Kantonsregierung, dass Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmenden Bundessache seien. Die anderen versprachen sich von zusätzlichen Lohnanalysen schlicht keinen Nutzen.

So wurde eine Zürcher Sonderregelung für Unternehmen relativ deutlich verworfen, mit 90 zu 78 Stimmen. Dies kam für manche offensichtlich überraschend – die Zürcher Handelskammer jedenfalls verschickte nach dem Entscheid irrtümlich eine Mitteilung, in der sie das «Zürich-Finish» kritisierte, mit dem hiesige KMU nun belastet würden. Womöglich hatte sie schlicht nicht daran geglaubt, dass die Reihen der bürgerlichen Fraktionen am Sechseläuten gut genug besetzt sein würden.

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