Schmiede kämpfen für ihre Berufslehre Ein traditionelles Handwerk wird in der Berufsbildung marginalisiert. Doch die Schmiede wehren sich.
Ein traditionelles Handwerk wird in der Berufsbildung marginalisiert. Doch die Schmiede wehren sich.
Um den Teufel zu bändigen, muss der Schmied dreimal auf den leeren Amboss schlagen. So geht der alte Brauch: «Wir stehen am Abgrund», sagt Leonardo Benazzi in Grüningen (ZH). Seine Hand umfasst den Stil eines grossen Hammers, den er auf glühendes Eisen niedersausen lässt, so dass die Funken sprühen. An der Wand sind Dutzende Hämmer aufgereiht, in einer Ecke wartet ein Wirtshausschild auf die Restaurierung. In der Esse glüht die Kohle, das Luftgebläse faucht.
Leonardo Benazzi ist enttäuscht. «So wie es aussieht, wird der Schmied als Beruf aussterben», sagt der 50-jährige Vater von einer Tochter und zwei Söhnen. Schuld sei nicht etwa die mangelnde Nachfrage nach Schmiedearbeiten oder das Desinteresse der Jungen am Beruf – «ich habe jedes Jahr mehrere Schnupperstifte». Schuld seien vielmehr Verbandsfunktionäre, die die Berufsbildung gestalteten. «Alles Leute, die sich selber die Hände nicht mehr schmutzig machen wollen», schimpft er.
Berufslehre abgeschafft
Um den Mann zu verstehen, braucht es einen Blick zurück. Vor 130 Jahren wurde der Schweizerische Schmiede- und Wagnermeisterverband gegründet. Dieser fusionierte 1973 mit dem Schlosserverband zur Metallunion, heute AM Suisse. Dort sind die Schmiede nunmehr die Exoten neben einer Überzahl von grösseren Metallbaufirmen.
Dieser Verband schaffte vor gut zehn Jahren die Berufslehre zum Schmied ab. Stattdessen heisst die Ausbildung nun Metallbauer EFZ Fachrichtung Schmiedearbeiten. Seither hat sich die Zahl der Lehrabschlüsse halbiert auf gut ein Dutzend pro Jahr. Dagegen stemmen sich die Schmiede, die sich in einer Interessengemeinschaft organisiert haben, deren erster Präsident Benazzi war. «Wir verschwinden langsam aus der öffentlichen Wahrnehmung», sagt er.
Den Schmieden passiert, was andere Berufe auch erlebten: Niemand lernt heute mehr Schreibmaschinenmechaniker, Fotolaborant oder Etuimacher. Es ist der Lauf der Zeit. «Diese Berufe sind ausgestorben, uns aber braucht es noch», kontert Benazzi.
«Wir haben ein traditionelles Fachwissen, das gerade bei historischen Bauten wie Kirchen oder Schlössern mit ihren Toren, Fenstergittern und Zäunen wichtig ist.» Doch zunehmend würden solche Aufträge an Metallbauer vergeben, die diese wiederum ins Ausland weiterreichten. «Wollen wir so mit unseren Kulturdenkmälern umgehen?», fragt er.
Die Hoffnung schwindet
Es ist Stolz, der aus ihm spricht. Gekränkter Stolz. Denn kürzlich gingen die Schmiede bei der Revision der Berufsbildungsverordnung unter. Sie kämpften dafür, die Lehre wieder einzuführen – drei Jahre gemeinsam mit den Metallbauern, ein Jahr fachspezifisch allein. Damit verbanden sie die Hoffnung, der Beruf werde für die Jungen bei der Berufswahl sichtbarer. Und das traditionelle Wissen würde in der Berufsschule besser vermittelt.
Nun aber plant der Verband sogar einen weiteren Abbau. Aus der bisherigen Fachrichtung soll ein Schwerpunkt Schmiedearbeiten werden. Statt 100 Lektionen fachspezifischer Schulung soll es noch deren 40 geben, heisst es. Der Verband beschwichtigt: «Es sind noch keine Lektionenzahlen verabschiedet worden», sagt Direktor Bernhard von Mühlenen.
Die Zahl der Lektionen sei auch nicht so relevant, da die Lernenden ihre handwerkliche Kompetenz im Lehrbetrieb erlangten. Eine eigene Lehre mit schulischer Differenzierung sei «quantitativ und qualitativ nicht zielführend». Zu diesem Schluss sei man gemeinsam mit dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gekommen.
Weg vom Fachspezifischen, hin zum Allgemeinen
Der Bund aber gibt das heisse Eisen zurück. Die Berufsverbände seien zuständig für die Ausgestaltung der Berufslehren. «Wir machen keine Vorschriften zum Inhalt der Ausbildungen oder zu deren Benennung, sofern sie stufengerecht sind und sich zu anderen Berufslehren abgrenzen», sagt Toni Messner, Leiter Ressort Berufliche Grundbildung beim SBFI.
Im konkreten Fall habe die AM Suisse die Inhalte der Ausbildung definiert. Es hätte durchaus auch andere Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Schmieden-Lehre gegeben – etwa indem man die Metallbauberufe zu einem Berufsfeld zusammengefasst hätte mit separaten Lehren zum Schmied und Metallbauer.
Allerdings müsste man dafür die Ausbildung genügend differenzieren. «Bei Lehren mit nur rund einem Dutzend Abschlüssen pro Jahr in der ganzen Schweiz, ist das eher schwierig», sagt Messner. Grundsätzlich sei es für die künftigen Berufsleute besser, wenn sie ein Fähigkeitszeugnis erhielten, das relativ weit gefasst ist. «Das erhöht ihre Arbeitsmarktfähigkeit.» Das ist ein Trend auch bei anderen Lehren: weg vom Fachspezifischen, hin zum Allgemeinen.
Allein die Idee, ein ausgebildeter Schmid könne keine Stelle finden, bringt Benazzi zur Weissglut. Er würde noch so gerne einen Fachmann einstellen, doch keiner der von ihm angefragten Personalvermittler konnte helfen. Nun stapeln sich die Aufträge. Das filigrane Wirtshausschild in der Ecke muss warten. Derzeit gilt es, stumpfe Meissel wieder spitz zu schlagen. Eine gute Arbeit, um Wut abzulassen.