Sinn und Unsinn von Talentmessen Potenzielle Kandidaten werden von Arbeitgebenden umschwärmt. Sie müssen sich nicht mehr bewerben. Also welchen Sinn machen Talentmessen noch? Ein Recruiter und zwei Messeanbieter geben Auskunft.
Potenzielle Kandidaten werden von Arbeitgebenden umschwärmt. Sie müssen sich nicht mehr bewerben. Also welchen Sinn machen Talentmessen noch? Ein Recruiter und zwei Messeanbieter geben Auskunft.
Eine Talentmesse zu besuchen ist ein Aufwand. Seitens potenzieller Kandidatinnen und Kandidaten wie auch der Firmen. Lohnt sich das noch? «Ja», sagt Simon Mächler, Berater Corporate Services und Projektleitung von HSG Talents, einer Talentmesse der Universität St. Gallen. «Firmen steigern mit einer Teilnahme ihren Bekanntheitsgrad und können diesen festigen.» Zudem erhielten Studierende im Gespräch mit Unternehmensvertretenden Einblicke in die Firmenkultur. «Dadurch spüren sie den Drive einer Firma.»
Eine ähnliche Ansicht vertritt Adrian Fischer, Geschäftsführer der Together AG, die ebenfalls Talentmessen veranstaltet: «Messen gibt es seit Menschengedenken. Es wird sie auch weiterhin geben, solange sie einen Mehrwert bieten.» Beispielsweise durch eine regionale Ausrichtung, persönliche Begegnungen und Erlebnisse, oder eine effiziente Informationsbeschaffung.
Schnee von gestern?
Talentmessen wenig abzugewinnen, vermag Frank Rechsteiner, seines Zeichens Headhunter, Autor und Speaker. «Das Modell der Talentmessen stammt aus den 1990er-Jahren und hat damals auch funktioniert. Wer heute aber junge wie auch ältere Talente gewinnen will, hat damit wenig Erfolg.» Seine Erklärung? «Früher mussten sich Talente bei Firmen bewerben. Das hat sich verändert. Zudem erhalten gute Absolventinnen und Absolventen schon während des Studiums häufig ein Stellenangebot.»
Unternehmen müssten deshalb vermehrt an Universitäten und Fachhochschulen präsent sein, Vorträge halten, Testsysteme zur Verfügung stellen sowie Studierende während des Studiums aktiv begleiten und mit Werkstudien-Tätigkeiten und Praktika unterstützen. «So lernen sie Studierende besser kennen und können ihnen später ein passendes Job-Angebot machen.»
Ganz allgemein beeinflusse der Gesellschaftswandel die Rekrutierungs-Tätigkeit: «Bei Berufserfahrenen suchen Geschäftsführende oder Bereichsleitende immer häufiger das direkte Gespräch.» Das weniger am Firmenstandort als in einem informellen Setting – beispielsweise während eines Lunchs oder Dinners. «Zum klassischen Bewerbungsgespräch im Büro kommen künftig immer weniger Menschen.»
Klasse statt Masse!
Dass Firmen vermehrt eigene Formate entwickeln, beobachtet auch Mächler: «Viele lancieren eigene Rekrutierungsveranstaltungen oder kreieren ähnliche Formate wie wir sie an der HSG haben. Somit können sie Studierende aller Universitäten und Hochschulen ansprechen.»
Als Konkurrenz betrachten Fischer und Mächler diese informellen «Kennenlernformate» jedoch nicht: «Ob Spaghetti-Plausch, ein Meet the CEO oder Après Work Bier –- der Erfolg dieser Initiativen war bislang bescheiden», sagt Fischer. «Das Problem liegt nicht an den Formaten, sondern den Marketing-Kanälen, um Studierende zu erreichen. Die richtigen Teilnehmenden für solche Anlässe zu gewinnen, ist schwierig.»
Etwas anders sieht das Rechsteiner. Für ihn gilt Klasse, statt Masse: «Firmen müssen sich damit auseinandersetzen, welches Kennenlern-Format zu den jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten passt. Statt sich auf ein bestimmtes einzuschiessen, sollten sie ihren Rekrutierungsprozess flexibel anpassen.» Ob informelles Gespräch oder Talentmesse, sei weniger relevant.