Welche Berufe werden in Zukunft gefragt sein? Nicht nur neue … KI-Spezialisten, Cybersecurity-Experten und ja, auch Pflegefachleute haben im nächsten Dezennium die besten Berufschancen, verraten die Kristallkugeln der Zukunftsforscher – generell wird uns die Arbeit nicht ausgehen.
KI-Spezialisten, Cybersecurity-Experten und ja, auch Pflegefachleute haben im nächsten Dezennium die besten Berufschancen, verraten die Kristallkugeln der Zukunftsforscher – generell wird uns die Arbeit nicht ausgehen.
Wandel allein sagt nichts aus. Nur weil sich die Technologie ständig verbessert, muss es die Arbeit oder das Spiel nicht zwangsläufig ebenfalls tun. «Nur weil die Schuhtechnologie und die Trainingsmethoden immer besser werden, macht es für Fussballmannschaften noch keinen Sinn, mit einem Spieler weniger zu spielen», erklärt Sozialpsychologe Jakub Samochowiec vom Gottlieb Duttweiler Institute (GDI).
Ähnlich verhalte es sich im Arbeitsleben. «Die Qualität vieler Arbeiten ist hauptsächlich in Relation zur Konkurrenz definiert. Werden eine Kampagne, eine Projektbewerbung oder ein Gerichtsplädoyer dank Technik besser, werden es auch diejenigen der Konkurrenz.» Der Kuchen werde dadurch nicht grösser. Diese in Konkurrenz zueinander stehenden Arbeiten neutralisierten sich also gegenseitig und führen zu einem Wettrüsten, das ein unendliches Auffangbecken für technologische Effizienzsteigerung darstelle. «Auch deshalb gehe ich nicht davon aus, dass uns die Arbeit ausgeht», ist sich Samochowiec sicher.
Pflege als Zukunftsberuf schlechthin
Wo auch künftig mehr als genug davon sein wird, scheint den Zukunftsforschern klar: «Eine alternde Gesellschaft wird dazu führen, dass Pflegeberufe immer gefragter werden. Pflege ist, wenn man so will, der Zukunftsberuf schlechthin», folgert der GDI-Forscher. Alterung werde insgesamt zu einem angespannteren Arbeitsmarkt führen, der vermutlich eher von Mangel an Arbeitskräften als von Überfluss geprägt sein werde.
«Nur weil die Schuhtechnologie und die Trainingsmethoden immer besser werden, macht es für Fussballmannschaften noch keinen Sinn, mit einem Spieler weniger zu spielen», sagt Sozialpsychologe Jakub Samochowiec vom Gottlieb Duttweiler Institute (GDI).
Für Patricia Schafer, Ökonomin beim Think Tank von Avenir Suisse, sind für die künftigen Entwicklungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt drei Treiber zentral: erstens der technologische Umbruch. Zweitens die demografischen Veränderungen. Die Schweiz ist wie andere Industriestaaten mit einer alternden Gesellschaft konfrontiert: 2050 wird rund ein Viertel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Drittens werden sich gesellschaftliche Entwicklungen, wie der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance oder tieferen Arbeitspensen, auf die beruflichen Entwicklungen auswirken. Schliesslich hingen die Entwicklungen am Arbeitsmarkt massgebend von den durch die Politik vorgegebenen Rahmenbedingungen ab.
Der deutsche Bildungs- und Zukunftsforscher Prof. Lothar Abicht erwartet in den kommenden 10 bis 20 Jahren erhebliche Veränderungen in der Berufswelt. Dies vor allem aufgrund technologischer Entwicklungen, der Digitalisierung und des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft. In diesem Zusammenhang eine Top-/Flop-Liste zu erstellen, um Branchen und Berufe hervorzuheben, die voraussichtlich an Bedeutung gewinnen oder eher verschwinden werden, macht nach Abicht viel Sinn.
Auf Basis der Analysen verschiedener Zukunftsforscher, von Wirtschaftsorganisationen wie dem World Economic Forum (WEF) und der OECD, sowie den Erkenntnissen führender Forschungsinstitute hat er folgende Topliste von Branchen und Berufen ermittelt:
1. Erneuerbare Energien und Umwelttechnologie
Berufe: Solar- und Windenergie-Ingenieurinnen, Fachkräfte für Energieeffizienz, Umweltingenieurinnen, Recycling- und Kreislaufwirtschaftsfachleute.
Von besonderer Bedeutung werden Berufe sein, die für den Ausbau von Energienetzen auf allen Spannungsebenen und unter Berücksichtigung der Digitalisierung sowie für den Aufbau von Speichern für Elektroenergie auf allen Ebenen gebraucht werden. So auch Berufe für den Ausbau der Wasserstofftechnologien. Das reicht von der Erzeugung grünen Wasserstoffs über seine Verteilung und die Speicherung grünen Wasserstoffs.
Mit einer möglichen Renaissance der Kernenergie werden auch hierfür Spezialisten gebraucht. Allerdings ist ihre Anzahl vergleichsweise gering und es ist keineswegs sicher, ob angesichts der explodierenden Kosten und der langen Fristen beim Bau die Kernenergie tatsächlich so expandiert wird, wie Befürworter glauben.
Ein hoher Bedarf besteht zukünftig auch bei der Anpassung an den Klimawandel. Das betrifft in einer ersten Stufe Berufe, die sich mit dem aktuellen Stadtumbau, Fassaden- und Dachbegrünung sowie Kühlungstechnologien beschäftigen. Im Bereich des Bauwesens ist es die industrielle Sanierung von Bestandsbauten, die eine grosse Anzahl handwerklich spezialisierter Fachkräfte benötigt. Überschreiten wir die Zweigradgrenze, werden ganz neue Aufgaben, wie die Verlagerung von Teilen des Lebens unter die Erde, Fachkräfte erfordern.
Begründung: Der Klimawandel und die Energiewende haben weltweit zu einem Anstieg der Nachfrage nach erneuerbaren Energien geführt. Die Europäische Union beispielsweise strebt an, bis 2050 klimaneutral zu werden, was den Bedarf an Fachkräften in der Erneuerbaren-Energien-Branche stark steigern wird. Durch die Machtübernahme Trumps in den USA wird es vermutlich zu einer zeitweisen Trendwende kommen. Allerdings sind die Kostenvorteile der grünen Energien so gross, dass sie sich auf Dauer durchsetzen werden. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen eines ungebremsten Klimawandels bald so massiv sein werden, dass ein Festhalten an fossilen Strategien und der aktuellen Lebensweise nicht durchzuhalten ist – egal wie gross die Macht der fossilen Industrien ist.
2. Gesundheitswesen und Pflegeberufe
Berufe: Pflegefachkräfte, Telemedizinspezialistinnen, Gerontologinnen, digitale Gesundheitsexperten. Hinzu kommen Spezialisten für Pflegeroboter und sonstige KI-gestützte Technologien, welche die Pflegekräfte in ihrer Arbeit entlasten. Diese Spezialisten übernehmen auch die Anleitung der Pflegekräfte.
Begründung: Der demografische Wandel in vielen Industrieländern, vor allem in Europa, führt zu einer alternden Bevölkerung und einem steigenden Bedarf an Pflegepersonal. Technologische Innovationen wie Telemedizin erfordern zudem spezialisierte Kräfte, die digitale und medizinische Kompetenzen vereinen. Die zu pflegenden Personen rekrutieren sich in den nächsten Jahrzehnten aus einer Bevölkerung, für die der Umgang mit IT und Automatisierung lebenslange Normalität ist. Damit schwinden Barrieren für die Anwendung KI-gestützter Robotertechnik in der Pflege.
3. Informationstechnologie und Cybersecurity
Berufe: IT-Sicherheitsberaterinnen, Datenwissenschaftlerinnen, KI-Spezialistinnen, Cloud-Architektinnen.
Begründung: Die Digitalisierung und die Vernetzung nehmen in nahezu allen Bereichen des Lebens zu, wodurch auch Sicherheitsrisiken steigen. Der Bedarf an Fachkräften, die Systeme absichern und Daten managen können, wächst stetig.
Die Zunahme internationaler Konflikte und Rivalitäten bei gleichzeitiger Absenkung der Hemmschwelle für den Einsatz von Gewalt wird ein hohes Niveau der Cybersicherheit zur Voraussetzung für das Überleben von Unternehmen und Staaten machen.
4. Bildungssektor und EdTech (Educational Technology)
Berufe: E-Learning-Spezialistinnen, Instructional Designer, Entwicklerinnen digitaler Lehrmethoden, Entwickler digitaler, personalisierter Lern-Bots auf KI-Basis.
Begründung: Durch die Digitalisierung des Bildungssektors und das Aufkommen neuer Lerntechnologien wächst die Nachfrage nach Fachleuten, die neue Lehrmethoden entwickeln und digitale Bildungsplattformen gestalten können. Lernen wird zunehmend durch personalisierte Bots unterstützt, die die Lernhistorie der Lernenden kennen und personalisierte Lerninhalte und Lernszenarien erstellen.
5. Robotik und Automatisierung
Berufe: Robotertechnikerinnen, Automatisierungsingenieurinnen, Technikerinnen für industrielle KI, Programmierer für Roboter und Automatisierungslösungen mit generativer KI, Prozessplaner und Begleiter mit generativer KI.
Begründung: In vielen Industrien, insbesondere in Produktion und Logistik, werden repetitive Aufgaben zunehmend von Robotern und Automatisierungssystemen übernommen. Fachkräfte, die diese Systeme konzipieren, warten und weiterentwickeln, werden zunehmend gefragt sein. Generative KI stehe aktuell vor einer neuen Entwicklungsphase. «Die Zukunft gehört KI-Agenten, also autonom arbeitender Software, die mithilfe von KI fähig ist, eigenständig Aufgaben auszuführen und Entscheidungen zu treffen.»
Das Ergebnis könnte eine riesige Automatisierungswelle in den Unternehmen sein, weil sich jeder Beschäftigte bald seiner eigenen Routinetätigkeiten entledigen kann. «Die Agenten werden zu Mitarbeitern, die Systeme überwachen, Probleme erkennen und Korrekturen in Echtzeit vornehmen. Quasi eine virtuelle Belegschaft, die Tag und Nacht arbeitet.»
6. E-Commerce und digitales Marketing
Hier werden weiterhin massive Wachstumsraten erwartet. «Der E-Commerce wird mit 14 bis 20 Billionen US-Dollar die grösste Schlüsselindustrie sein. Immer mehr klassische Händler werden auf den Online-Handel setzen. zudem sorgen Verkaufsplattformen auf sozialen Medien für neue Erlöse.»
Autor: Fredy Gilgen
Berufsbilder im Wandel
Welche Jobs sind am stärksten vom Verschwinden bedroht? Aufgrund von technologischen Entwicklungen, bestimmte Berufe als gefährdet zu bezeichnen, ist nach GDI-Experte Samochowiec ein sehr spekulatives Unterfangen: «Schon viele Berufsgruppen wurden totgesagt. Man denke etwa an den Hype um selbstfahrende Autos. Davon spricht heute fast niemand mehr.»
Wahrscheinlicher sei, dass sich manche Berufsbilder wandelten, statt zu verschwinden. «Menschen arbeiten mit Maschinen zusammen und produzieren effizienter. Illustratoren werden weniger malen und mehr Prompts für KI-Tools schreiben. Von Hand malen wird aber eine Exklusivität bleiben.»