Wie tickt die Generation Z? Firmen tappen im Dunkeln und holen sich Generationen-Berater ins Haus Unternehmen buhlen um die junge Generation der Berufseinsteiger und umgarnen sie. Die Integration der technikaffinen Generation Z, die auf eine strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben pocht, ist allerdings alles andere als einfach. Wie Arbeitgeber damit umgehen.
Unternehmen buhlen um die junge Generation der Berufseinsteiger und umgarnen sie. Die Integration der technikaffinen Generation Z, die auf eine strikte Trennung von Arbeits- und Privatleben pocht, ist allerdings alles andere als einfach. Wie Arbeitgeber damit umgehen.
Noch kaum richtig am Arbeitsmarkt angekommen, ist bereits der Wettkampf um die Gunst der Generation Z entbrannt. Die Rede ist von der Altersgruppe der zwischen 1997 und 2012 (oder je nach Definition auch zwischen 1995 und 2010) Geborenen. Sie werden von Firmen kräftig umworben: Die jungen Leute sind schliesslich die Berufseinsteiger von heute und die Kunden von morgen.
Ein Chief Tomorrow Officer soll es richten
So haben die Deutsche Telekom und ihre Tochterfirma T-Systems jüngst die Stelle eines Chief Tomorrow Officer geschaffen. Auf der Webseite des Telekomkonzerns wird nach jungen Game-Changern gesucht, die die richtigen Fragen stellen: nach «pragmatischen Träumern, die unaufhörlich Möglichkeiten sehen».
Nouran Elsherbiny, die das viermonatige Praktikum im zurückliegenden Jahr als Erste durchlaufen hat, beschrieb ihren Job in einem Werbeclip der Firma folgendermassen: «Ich bin hier, um meine Generation Z zu vertreten – es geht darum, diese Kraft des Wandels einzubinden, um Erkenntnisse und Ideen zu gewinnen, die uns in eine bessere Zukunft führen.» Inzwischen ist die junge Frau bei T-Systems zum Digital Marketing Manager aufgerückt.
Welche Kriterien für die junge Generation bei der Auswahl ihres Arbeitgebers ausschlaggebend sind, ist für Elsherbiny klar: «Nachhaltigkeit, Ethik, Gerechtigkeit und flache Hierarchien». Im Video-Beitrag «Was ist ein Chief Tomorrow Officer?» spricht sie von «empowered sein», «Wirkung erzielen» und «Initiative zeigen» können. «Firmen, die sich so positionieren, erhalten schliesslich die Top-Talente dieser Generation», ist Elsherbiny überzeugt.
Was macht die Generation so begehrt? Da ist zum einen der Fachkräftemangel: Die Lücke, die die geburtenstarke Generation der Babyboomer am Arbeitsmarkt hinterlässt, wird immer grösser. Zum anderen sind die nachrückenden Zler gut ausgebildet, wissbegierig und digitalaffin. Es ist die erste Generation, die von klein auf mit Smartphones aufgewachsen ist. Sie kennt sich mit Social Media und Online-Tools besser aus als alle Generationen vor ihr. In Zeiten der rasch voranschreitenden Digitalisierung macht sie dies für Unternehmen besonders attraktiv. Viele Firmen sind auf der Suche nach Geschäftsmodellen der Zukunft und erhoffen sich von den Zlern neue Impulse.
Nicht ernst genommen?
Etwa 1,4 Millionen Schweizerinnen und Schweizer gehören zur Generation Z. Inzwischen bilden die nach 1996 Geborenen schon knapp 12 Prozent der Erwerbstätigen. Reibungslos verläuft die Integration allerdings nicht. «Arbeitgeber nehmen uns Jungen nicht ernst genug», sagt eine der wohl prominentesten Vertreterinnen der Generation Z, Yaël Meier, die Firmen beibringt, wie die neue Generation des Jahrtausends tickt, in einem Interview.
Die meisten Firmen sprächen über die Jungen, aber nicht mit ihnen. Sie verstünden weder die Werte noch das Verhalten dieser Zielgruppe oder welche Trends sie bewege, erklärt die Inhaberin der Zürcher Beratungs- und Werbeagentur Zeam. «Wir wollen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen und nicht tatenlos zusehen, wie die Welt vor die Hunde geht.» Bester Ausdruck dafür seien die Klimabewegung «Fridays for Future» oder «Black Lives Matter».
Umgekehrt muss sich die Generation auch einige Kritik gefallen lassen: Es falle der Gen Z schwerer, sich langfristig auf ein Unternehmen einzulassen, und Loyalität sei kaum vorhanden. Sie sei sehr anspruchsvoll, bestätigen verschiedene Personalverantwortliche. Bereits beim Berufseinstieg machten die jungen Leute eine klare Kosten-Nutzen-Abwägung. Wenn sie keine Entwicklungsmöglichkeiten sähen oder ihnen sonst etwas im Job nicht passe, dann seien sie schnell wieder weg.
Ausserdem verlangten viele Jugendliche eine klare Trennung zwischen Privatleben und Beruf. Die Gen Z sei die erste, die sich dagegen wehre, dass das Arbeitsleben in die Privatwelt eindringe, bekräftigt der deutsche Generationenforscher Christian Scholz.
Gen-Z-Beratung ist ein lukratives Geschäftsmodell
Es erstaunt denn auch nicht, dass viele Firmen die Hilfe von Beraterinnen und Beratern suchen, die ihnen die Welt der jungen Generation näherbringen sollen. Die Beratung über den Umgang mit der Gen Z ist zu einem lukrativen Geschäftsfeld geworden. Das bestätigt Yannick Blättler, der sich mit seiner Beratungsfirma Neoviso bereits seit 2016 auf dieses Segment spezialisiert hat. «Wir verstehen die Gen Z und machen sie zu euren Kunden und Mitarbeitenden», lautet die Message auf der Unternehmensseite von Neoviso.
Blättler und sein Team bieten Unternehmen Workshops an, erarbeiten mit ihnen Strategien für Social-Media-Auftritte, beraten sie bei der Stärkung ihrer Arbeitgebermarke und kümmern sich um die Umsetzung von Social-Media- und anderen Marketinginhalten. Zu den Kunden zählen KMU wie auch grössere Arbeitgeber, darunter Helsana, die Raiffeisen-Gruppe, Axpo, Swissmem, die Fachhochschule Graubünden, Spitäler oder der Bund.
Blättler hat seine Firma während des Studiums gegründet und parallel dazu an der Universität St. Gallen einen Masterabschluss in Business Innovation gemacht. Der einstige Nebenjob ist in den zurückliegenden Jahren zu einem einträglichen Geschäft herangewachsen. Vor der Corona-Pandemie beschäftigte Neoviso sechs Mitarbeitende. Nun zählt das Unternehmen 24 Festangestellte – Ende Jahr dürften es nochmals deutlich mehr sein.
Eine verschlossene Welt
Die grosse Nachfrage nach Gen-Z-Beratertätigkeit erklärt der 28-Jährige unter anderem mit dem hohen Bedarf der Firmen nach Arbeitskräften und jungen Berufseinsteigern. Gleichzeitig herrsche bei den Firmen eine gewisse Hilflosigkeit im Umgang mit der Gen Z vor. Dass eine Generation mit neuen Bedürfnissen heranwachse, sei nichts Neues, sagt Blättler. Doch die Welt der Zler sei verschlossen: Was auf den Social-Media-Kanälen wie Instagram, Tiktok oder Snapchat geschehe, sei für viele ältere Semester nicht zugänglich oder nicht verständlich.
Laut dem Jungunternehmer haben ausserdem während der Corona-Krise viele Firmen gemerkt, dass sie mit ihrer digitalen Kommunikation und Online-Vermarktung sehr schleppend unterwegs waren. Gleichzeitig hätten sie sich Gedanken über neue Arbeitsformen gemacht.
Und welches sind die grössten Herausforderungen der Firmen, die sich für die junge Generation fit trimmen wollen? Sie sollten offener kommunizieren und es brauche ein neues Führungsverständnis, sagt Blättler. Zler schätzten eine klare Führung, Vorgesetzte, die sich im Team involvierten und mit den Mitarbeitern den regelmässigen Austausch pflegten. «Oftmals höre ich, die Jungen sollten nicht so viele Ansprüche stellen, sondern erst mal liefern», erzählt der Berater.
Dann versuche er zu erklären, dass sich die Arbeitswelt und die Nachfragesituation am Arbeitsmarkt geändert habe. «Die Jungen wollen heute nicht weniger arbeiten. Sie wollen anders arbeiten, einen gewissen Freiraum sowie Flexibilität haben und etwas tun, was sie begeistert», sagt Blättler überzeugt. Er rät Unternehmen, gemischte Teams zu bilden, in denen sich die verschiedenen Generationen austauschen könnten, und den Jungen mehr Verantwortung zu übertragen.
Der 51-jährige Manager müsse nicht unbedingt mit dem Aufbau des Social-Media-Bereichs der Firma beauftragt werden. Er könne dafür klare Vorgaben machen, aber ein Zler wisse in der Regel besser, wie ein Beitrag gepostet werde und wie er daherkommen solle.
Bei Ikea haben Lernende auf Tiktok das Sagen
Viele Firmen haben denn auch ihre Social-Media-Strategie entsprechend angepasst und auf eine jüngere Kundschaft und Belegschaft ausgerichtet – teilweise mit externer Unterstützung. Für Ikea Schweiz hat die Firma Zeam zum Beispiel einen Kanal im Videonetzwerk Tiktok aufgebaut. Der Kanal, dessen Filme eine hohe Reichweite erreichen, wird von Ikea-Lernenden gesteuert. Damit will sich Ikea für die junge Generation attraktiv machen. Denn der Pool an Nachwuchskräften im Detailhandel schmilzt. Auch andere Kanäle, die viel von der jungen Generation genutzt werden, wie die Ikea-App, hat das Unternehmen auf Vordermann gebracht.
Auch bei der UBS stellt man sich auf die junge Generation ein: «Wenn man nicht auf Social Media präsent ist, wird es schwierig», sagt Patrick Stolz, Personalchef von UBS Schweiz. Bereits vor sieben Jahren habe er in seiner damaligen Funktion als Leiter Recruiting die Verantwortung für das Social-Media-Marketing-Team bewusst einer Mitarbeiterin Anfang zwanzig übertragen, die alle neuen Medien virtuell bespielen konnte.
Wichtig sei, dass man als Unternehmen eine Kultur der internen Mobilität pflege und dass man jungen Leuten Chancen einräume, sich auch einmal vor einem «höheren Gremium» zu präsentieren, führt Stolz aus. Viele Geschäftsbereiche der UBS haben zudem ein sogenanntes reversed Mentoring eingeführt. Dabei schlüpft eine ältere Person in die Rolle des Mentee und lernt – beispielsweise bei digitalen Themen – von einer jungen Person.
Auch mit hierarchisch gemischten Teams wird experimentiert, und Rotationen geben die Möglichkeit, für eine bestimmte Zeit in einem anderen Bereich tätig zu sein. Mit flexibleren Arbeitsmodellen, wie hybridem Arbeiten, Jahresarbeitszeit, Teilzeit und unbezahltem Urlaub, will die Bank die Gunst der jungen sowie auch älteren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gewinnen. Strukturierte Lohnerhöhungen in den ersten Jahren nach der Lehre sowie gezielte Weiterbildungen und Förderprogramme sind weitere Massnahmen.
Das Rad muss nicht neu erfunden werden
Firmen und Generationenforscher weisen allerdings zu Recht darauf hin, dass mit der Generation Z das Rad nicht neu erfunden werden müsse. Auch die Vorgängergeneration Y ist technikaffin und mit Social Media vertraut. Auch sie ist weniger bereit, alles ihrer Karriere unterzuordnen. Die Millennials fordern von ihrem Arbeitgeber ebenfalls mehr Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit, weniger Hierarchien und flexiblere Arbeitsmodelle. Es war denn auch vor allem die Pandemie, und nicht der Druck der Jungen, die dem Home-Office zum Durchbruch verholfen hat.
Doch mit der Generation Z im Rücken scheint der Anpassungsbedarf nochmals zugenommen zu haben. Und auch den Arbeitsmarkt haben sie derzeit auf ihrer Seite. Er hat sich vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt entwickelt. Es sind nun eher die Firmen, die sich bei potenziellen Mitarbeitern bewerben müssen – und nicht mehr umgekehrt. Entsprechend sind sie gefordert und auch eher bereit, auf Forderungen einzugehen.
Der Druck auf die Firmen, sich anzupassen, ist gross. Das spüren selbst beliebte Arbeitgeber im Silicon Valley: Dortige Tech-Angestellte rebellieren zurzeit reihenweise dagegen, wieder ins Büro pendeln zu müssen. Der Widerstand hat einige Firmen wie Apple und Google dazu bewogen, ihre Büro-Rückkehr-Pläne auf Eis zu legen oder anzupassen und weiterhin Home-Office zuzulassen. Sogar starre, hierarchische Banken wie Goldman Sachs können sich dem Thema Work-Life-Balance nicht gänzlich verschliessen und versprechen ihren Angestellten mehr Ferien.
Bei all diesen Anpassungen steht allerdings nicht nur die Generationenfrage im Vordergrund. Der Wandel der Arbeitswelt geht weit darüber hinaus. Gerade auch mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen scheine es wenig ratsam zu sein, Babyboomer, Millennials und Generation Z gegeneinander auszuspielen, sagt die Strategie- und Kommunikationsberaterin Christiane Döhler. Es gehe schliesslich darum, ein Team an Bord zu haben, das ein Unternehmen vorantreibe.
«Vielleicht ist die Generation Z mutiger darin, Ideen zu kreieren. Aber es ist naiv zu, denken, die machen jetzt die ganze Transformation alleine», sagt Döhler. Dafür brauche es die Fähigkeit der gesamten Mannschaft: «Erfahrung und Ideen, Kreativität und Strukturen sowie die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Stärken und Perspektiven. Junge Game-Changer, die die richtigen Fragen stellen, reichen nicht aus. Auch ein Chief Tomorrow Officer, der unaufhörlich Möglichkeiten sieht, braucht schliesslich Unterstützung.»