Die neue Normalität der Schweizer KMU Die Pandemie und die Ereignisse im äussersten Osten Europas sind ein Schock für die Wirtschaft. Die Schweizer KMU sind stark gefordert. Wie der global tätige Federspezialist Baumann auf die aktuellen Herausforderungen reagiert, erklären CEO Thomas Rüegg und CFO Stefan Schmid.
Die Pandemie und die Ereignisse im äussersten Osten Europas sind ein Schock für die Wirtschaft. Die Schweizer KMU sind stark gefordert. Wie der global tätige Federspezialist Baumann auf die aktuellen Herausforderungen reagiert, erklären CEO Thomas Rüegg und CFO Stefan Schmid.
Baumann ist eine unabhängige, internationale Unternehmensgruppe mit Hauptsitz in Ermenswil (SG) und einer 135-jährigen Firmengeschichte. Die über 1500 Mitarbeitenden in zehn Ländern entwickeln, produzieren und vertreiben hauptsächlich technische Federn, Stanzteile und Kontaktelemente für die Medizinaltechnik, die Automobilbranche und globale Industriekunden. In der aktuellen Wirtschaftslage ist Baumann als Global Player stark gefordert. Die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre werden auch für das Familienunternehmen über viele Jahre hinweg spürbar sein. Neben Verzögerungen in der Lieferkette und dem starken Schweizer Franken bereiten auch die steigenden Energiepreise und der drohende Energieengpass zunehmend Sorge. Wie alle KMU war und ist auch Baumann durch die abrupten Einschnitte gefordert, seine Handlungsfähigkeit zu sichern und seine Resilienz weiter zu verstärken.
«Wir stehen vor allem in Konkurrenz mit deutschen, amerikanischen und immer mehr auch chinesischen Mitbewerbern», sagt Thomas Rüegg, CEO von Baumann. Er sieht klare Vorteile in der Technologiestärke und dem Ausbildungsstandort Schweiz. Für ihn sind KMU denn auch sehr wichtig für die Schweiz als Werkplatz. «Hier entstehen viele Innovationen und viele Arbeitsplätze. Die Schweiz tut gut daran, die Bedürfnisse der KMU zu kennen, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und damit Unternehmertum zu fördern», betont Rüegg.
Grosse Zäsur zu Beginn des Jahres
Als weltweit tätiges Unternehmen ist Baumann stark von der globalen Entwicklung abhängig – und bei der Automobilindustrie insbesondere vom Automobilabsatz, wo das Wachstum seit 2018 rückläufig ist. Für 2022 ging der Federn- und Stanzteilhersteller davon aus, dass die Automobilindustrie noch bis ins dritte oder vierte Quartal durch die Halbleiterknappheit ausgebremst wird und danach der Aufschwung kommt. Doch dann startete China seine No-Covid-Strategie, was verschiedene Lockdowns zur Folge hatte. «Wenn China ein tieferes Wachstum hat als geplant, trifft uns dies sofort sehr stark, weil wir viele Produkte für deutsche Unternehmen liefern, die mit China stark verbunden sind», erklärt Rüegg. Zurzeit geht er nicht mehr davon aus, dass der Automobilmarkt das für dieses Jahr geplante Wachstum noch erreicht.
Aktuell spürt Baumann auch die Inflation, die in Europa, aber auch in den USA höher ist als in der Schweiz. «Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren ist der Schweizer Franken aktuell nicht gross überbewertet, sondern der Euro aufgrund der extremen Inflation im Ausland schwach», so Rüegg. Da Baumann in Schweizer Franken rechnet und jeden Monat einen Euroüberschuss in Schweizer Franken umwandelt, betreibt das Unternehmen ein starkes Natural Hedging. Zudem verweist er darauf, dass durch die im Vergleich zum Ausland verhältnismässig tiefe Inflation in der Schweiz weniger zusätzliche Kosten anfallen. Dennoch: «Die schnelle und starke Abwertung der Gemeinschaftswährung der vergangenen Monate ist in den Resultaten negativ spürbar».
«Viel entscheidender ist jedoch, wie sich die Konjunktur in China, den USA und Europa als Ganzes entwickelt», sagt Stefan Schmid, CFO von Baumann. Die mitentscheidenden Faktoren seien dabei die Energieknappheit sowie die hohen Preise für Energie: «Dies hat grosse Auswirkungen auf unsere ganze Planung. Der grösste Risikofaktor ist darum aktuell die Energie. Dies ist das neue Covid», betont Schmid.
Digitalisierung vorantreiben
Neben der Verfügbarkeit ist auch der Preis der Energie mit grossen Unsicherheiten verbunden. «In der Schweiz hat Baumann ein abgesichertes Modell für den Stromkauf. So können Preissteigerungen teilweise abgefedert werden», so Schmid. Aber natürlich spüre das Unternehmen die höheren Energiepreise in Europa. Bei Baumann kümmert sich aktuell eine Energie-Taskforce weltweit um die offenen Fragen rund um die Versorgung und die Preise. «Die Energiepreise haben sich in einigen Märkten vervielfacht. Kurzfristige Preissteigerungen können wir jedoch kaum an Kunden weitergeben», erklärt Thomas Rüegg. Seine grösste Sorge sei allerdings die mögliche Kettenreaktion, falls tatsächlich irgendwo ein Energiemangel herrscht. «Welchen Einfluss hätte dies auf die Supply Chain, die Gesellschaft, die Inflation, die Nachfrage?»
Im Rahmen der Industrie 4.0 treibt Baumann die Digitalisierung im Betrieb weiter voran. In der Produktion beispielsweise steht bei den Kontaktelementen, einer wichtigen Einheit in der Schweiz, das automatische Aussortieren vor der Finalisierung. «Auch effiziente Kamerasysteme, automatisiertes Lernen oder Augmented Intelligence helfen, dass Prozesse viel effizienter werden», sagt Rüegg. Die Firma beschäftigt sich zudem intensiv mit den Daten, denn Industrie 4.0 führt auch dazu, dass viele Daten generiert werden. Diese sind wertvoll und steuern die Produktion, können aber auch für weitere Anwendungen genutzt werden. «Mit Daten kann man bessere Entscheide fällen. Der nächste Schritt wird sein, dass das System Empfehlungen gibt, wie man besser entscheiden kann oder sogar selbst Entscheide fällt», ergänzt er.
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Auch das SAP-System ECC 6.0 HANA hilft mit, Prozesse und Abläufe effizienter zu gestalten. «Dank einer global identischen Plattform konnte in der Finanzabteilung vieles automatisiert werden. Unsere Controlling-Abteilung ist schlank und effizient – einer der Vorteile unseres Systems», erklärt Stefan Schmid. «Die Software unterstützt uns auch in den Bereichen Logistik, Produktion und Maintenance», so Schmid weiter. Der grösste Vorteil sei, dass das System skalierbar und modern ist. «Es ermöglicht uns viel Wachstum für die Zukunft», betont er. Ziel sei, von On-Prem wegzukommen und alles in die Cloud zu bringen, auch aus Gründen der deutlich höheren Cyber Security.
Effizienzsteigerung durch Automatisierung, weitere Digitalisierung des Betriebs, das Umsteigen auf nachhaltige und erneuerbare Energien: Baumann zeigt eindrücklich, wie sich das Unternehmen auf die neue Normalität und die damit einhergehenden veränderten Bedingungen einstellt und die sich hieraus eröffnenden Chancen ergreifen will. Denn die Verwerfungen sind gleichzeitig auch ein Katalysator, der die vorhandenen Entwicklungen beschleunigt. Und auch wenn das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO die Wachstumsprognose für 2022 und noch deutlicher für 2023 nach unten korrigiert, so schaut Thomas Rüegg positiv in die Zukunft: «Wir haben in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass wir sehr schnell reagieren können, wenn etwas Unerwartetes passiert. Wir kennen keine Opferkultur, sondern packen an, entscheiden und setzen um.»
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