Geografisch wurde das starke Wachstum primär von China angetrieben. So gelangten 2022 von den 553 000 weltweit neu installierten Industrierobotern 52 Prozent in eine Produktionsstätte im Reich der Mitte. 2012 hatte der Anteil des chinesischen Absatzmarkts erst 14 Prozent betragen.
Auf Japan, früher lange Zeit der führende Markt, entfielen im vergangenen Jahr knapp 50 000 neu installierte Roboter. In der EU, dem weltweit zweitgrössten Absatzmarkt der Branche, waren es rund 70 000 und in den USA fast 40 000.
Am stärksten sind die Japaner
Für die Produktion von Industrierobotern, die wegen hoher Qualitätsanforderungen anspruchsvoll ist, zeichnen laut der IFR weltweit knapp 180 Unternehmen verantwortlich. Als Nation ist in diesem Geschäft nach wie vor Japan führend. Im vergangenen Jahr lag der geschätzte Marktanteil japanischer Hersteller bei 46 Prozent. Fanuc und Yaskawa zählen seit Jahren zu den vier grössten Anbietern von Industrierobotern.
Ebenfalls zu diesem illustren Kreis gehören der Zürcher Konzern ABB und die Firma Kuka aus Augsburg, die sich seit 2016 im Besitz der chinesischen Industriegruppe Midea befindet. ABB erklärt auf Anfrage, die Nummer zwei zu sein, will sich aber – ähnlich wie der Verband IFR – nicht weiter zur Rangfolge in der Branche äussern.
Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Firma ABB, die unter anderem auch in den Bereichen Elektrifizierung und Antriebstechnik tätig ist, im Bereich Robotik einen Umsatz von gut 2 Milliarden Dollar. Das waren indes weniger als 10 Prozent des Gesamterlöses von rund 29 Milliarden Dollar.
ABB und Stäubli investieren hohe Summen
Mit Stäubli mischt ein weiterer Schweizer Konzern prominent im Geschäft mit Industrierobotern mit. Wie viel des letztjährigen Gruppenumsatzes von 1,6 Milliarden Franken auf die Robotik entfiel, will das Familienunternehmen mit Sitz im schwyzerischen Pfäffikon nicht verraten. Es rangiert laut eigenen Angaben aber auf Platz acht unter den weltgrössten Herstellern von Industrierobotern.
Beide Unternehmen haben sich zu umfangreichen Investitionen entschlossen, um vom starken Marktwachstum möglichst nichts zu verpassen. Wie ABB erst vor zwei Wochen bekanntgab, sollen in die Modernisierung und Erweiterung des Robotik-Standorts im schwedischen Västeras 280 Millionen Dollar fliessen.
Dadurch soll die Produktionskapazität um 50 Prozent vergrössert werden. Eine der beiden Vorgängerfirmen der heutigen ABB-Gruppe, das schwedische Unternehmen Asea, hatte an diesem Standort vor fast fünfzig Jahren mit der Entwicklung des ersten kommerziellen Roboters mit vollständigem elektrischem Antrieb begonnen und damit Industriegeschichte geschrieben.
ABB will von Västeras aus, wo 1300 Mitarbeiter beschäftigt werden, primär Kunden aus Europa beliefern. Der Konzern hat sich auch den Ausbau seiner beiden anderen Produktionsstandorte für Industrieroboter in Schanghai (mit 1700 Beschäftigten) sowie in Auburn Hills im amerikanischen Gliedstaat Michigan (500 Mitarbeiter) eine Stange Geld kosten lassen. Insgesamt beziffert ABB die Investitionen, die seit 2018 geflossen sind, auf 450 Millionen Dollar.
Überkapazitäten in China?
Stäubli hat eben erst zusätzliche Kapazitäten im chinesischen Hangzhou in Betrieb genommen, um damit nicht nur die Produktion von elektrischen Steckverbindern, sondern auch von Industrierobotern zu erhöhen. Im Bereich der Robotik betreibt das Unternehmen auch Werke im bayrischen Sulzbach-Rosenberg sowie in Faverges in Frankreich. Dank dem Kapazitätsausbau in Hangzhou will es näher zu Abnehmern in China treten.
Einen solchen Schritt hätten zahlreiche in- und ausländische Anbieter in China vollzogen, hält der Branchenverband IFR fest. Es gehe darum, «diesen dynamischen Markt» aus nächster Nähe zu bedienen.
Allerdings fragt sich, ob manche Hersteller von Industrierobotern das Wachstum des chinesischen Absatzmarktes nicht allzu rosig eingestuft haben. ABB war im zweiten Quartal dieses Jahres in China von einem, wie es das Unternehmen formulierte, «deutlichen Rückgang» des Auftragseingangs betroffen. In der gesamten Verkaufsregion Asien, Naher Osten und Afrika brachen die Bestellungen um ein Drittel ein. Schwach entwickelte sich mit einer Abnahme von 23 Prozent auch Europa. Nur auf dem amerikanischen Kontinent fiel der Bestellungseingang dank einem Plus von 4 Prozent zufriedenstellend aus.
Branchenverband bleibt optimistisch
Stäubli bezeichnet die Nachfrage aus China als «immer noch erfreulich», schränkt zugleich aber ein, dass man sich auf einem tieferen Niveau als zu Beginn des Jahres bewege. Noch nichts von einem Abschwung wollen die Marktbeobachter von der IFR sehen. Sie rechnen im Gegenteil damit, dass die Anzahl der neu installierten Industrieroboter bis 2026 sowohl weltweit als auch in Asien im Durchschnitt um jährlich 7 Prozent steigen wird.
Im vergangenen Jahr lag der Zuwachs bei je 5 Prozent. Der Branchenverband begründet seinen Optimismus damit, dass die Arbeitsmärkte in weiten Teilen der Welt ausgetrocknet seien. Vor diesem Hintergrund seien weitere Schritte bei der Automatisierung unerlässlich. Hinzu komme, dass viele Industriefirmen ihre Lieferketten neu ausrichteten. Sie seien darauf bedacht, Kunden stärker regional zu versorgen. Oder anders ausgedrückt: Produktionstätigkeiten aus China werden nach Europa und Nordamerika zurückgeholt.
Der damit verbundene Aufbau von Fertigungsstätten begünstigt ebenfalls den Einsatz von Industrierobotern. Anderenfalls lässt sich nämlich in Fabriken Europas oder Nordamerikas gar nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren.
Dominik Feldges, «Neue Zürcher Zeitung»