Schweizer Technologie könnte Unfälle wie im Gotthard verhindern Geräte eines Zürcher Unternehmens warnen auch vor Entgleisungen. Doch Transportunternehmen wollen nicht investieren
Geräte eines Zürcher Unternehmens warnen auch vor Entgleisungen. Doch Transportunternehmen wollen nicht investieren
Hätte die Entgleisung im Gotthard-Basis-Tunnel früher bemerkt werden können? Ja, denn es gibt längst Technologie, die verhindert, dass Entgleisungen solch riesige Schäden anrichten und monatelange Streckensperrungen nötig machen. Ein Lieferant ist die Firma Nexxiot. Das vor sieben Jahren aus der ETH hervorgegangene Unternehmen mit Sitz in Zürich hat Geräte entwickelt, die die Sicherheit im Güterverkehr massiv erhöhen.
Laut Nexxiot-Chef Stefan Kalmund ist die grosse Differenz zwischen Güter- und Personenwagen, dass es auf Güterwagen keinen Strom gibt. Sein Gerät löst dieses Problem. Ein kleines Solarpanel speist eine Batterie und sorgt für eine konstante Stromversorgung des Bahnwagens, was dessen Überwachung ermöglicht. Ein Kommunikationsmodul überträgt Daten in Echtzeit. Ist das Gerät einmal montiert, funktioniert es bis zu zehn Jahre autonom.
Mehr und mehr Bahnbetriebe setzen das Gerät auf ihren Güterwagen ein und haben Nexxiot zum weltweiten Marktführer gemacht. Allerdings nutzen die wenigsten alle Möglichkeiten der Technologie, wie Kalmund erklärt. Es können nämlich zusätzlich faustgrosse Sensoren montiert werden, die eine breite Auswahl an Daten erfassen und übermitteln. So wäre es möglich, bei einer Entgleisung einen Alarm in den Führerstand zu senden.
Damit das System seine ganze Wirkung entfalten kann, müssten möglichst alle der 600 000 Güterwagen in Europa vollständig ausgerüstet werden. Pro Wagen würde das bis zu 4000 Franken kosten. Doch wenige in der oftmals mit Verlusten ringenden Branche wollen diese Kosten schultern.
Dabei erhöht eine Anbringung von Sensoren nicht nur die Sicherheit, wie Kalmund erklärt. Sie macht den Güterverkehr auch effizienter. So ist es dank den Sensoren nicht mehr nötig, dass Bahnpersonal vor der Abfahrt jede einzelne Bremse prüft. Zudem könnten die Wagenbesitzer die Wartungsintervalle optimieren, weil diese ja stetig überwacht werden.
Laut Kalmund ist die Logistikbranche einer der wenigen Wirtschaftszweige, die sich noch immer kaum digitalisiert haben. Er schätzt, dass erst 5% der Güterwagen und Frachtcontainer – auch dort wird das Produkt seiner Firma eingesetzt – digitalisiert sind. Doch der Druck auf die Branche, das zu ändern, werde immer grösser, sagt er.
Zum einen möchten Kunden vermehrt jederzeit wissen, wo ihre Waren sind und ob unerlaubt Türen von Güterwagen oder Frachtcontainern geöffnet wurden. Und sie fürchten zunehmend die schlechte Presse, die etwa aus Unfällen wie jenem im Gotthard-Tunnel resultiert. Die Transportunternehmen ihrerseits wollen zunehmend verhindern, dass sie gefährliche Waren transportieren, die falsch deklariert wurden, zum Beispiel Feuerwerk oder Batterien.
Kalmund geht zudem davon aus, dass sich der regulatorische Druck erhöhen wird. «Eine Option ist, dass Länder wie die Schweiz neue Vorschriften erlassen. Gewisse Strecken dürfen dann längerfristig nur noch von Wagen befahren werden, die über bestimmte Kontrollsysteme verfügen», sagt er.
Jürg Meier, «Neue Zürcher Zeitung»