Staatskontrolle bei Firmenübernahmen durch Ausländer: Wie unterscheidet man «gute» von «bösen» Investoren? Der im Parlament diskutierte Heimatschutz für heikle Sektoren verlangt vom Bund indirekt, dass er die Absichten von Firmenkäufern erkennt. In heiklen Fällen sei jeweils vom schlimmsten Fall auszugehen, sagt der Mann, der die Debatte ins Rollen gebracht hat.
Der im Parlament diskutierte Heimatschutz für heikle Sektoren verlangt vom Bund indirekt, dass er die Absichten von Firmenkäufern erkennt. In heiklen Fällen sei jeweils vom schlimmsten Fall auszugehen, sagt der Mann, der die Debatte ins Rollen gebracht hat.
Für Übernahmen von Schweizer Firmen in heiklen Sektoren durch Ausländer soll es künftig ein staatliches Kontrollregime geben. Das hat der Nationalrat diese Woche mit klarer Mehrheit beschlossen. Der Nationalrat will eine solche Kontrolle nicht nur, wenn staatsnahe ausländische Akteure hiesige Firmen kaufen wollen, sondern auch bei rein privaten Käufern.
Umstritten ist, wo hier die Naiven sitzen. Sind das jene, die glauben, der offene Markt sorge auch in dieser globalen Hochkonjunktur des Wirtschaftsnationalismus für bessere Resultate? Oder sind es jene, die glauben, dass eine Schweizer Kontrollbehörde in der Lage sein wird, unter vielen geplanten Firmenkäufen genau die wenigen schädlichen Übernahmen herauszufischen, ohne dass nützliche Transaktionen abgeschreckt werden?
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. So ist es gut möglich, dass der Ständerat die vom Nationalrat beschlossene Ausweitung des Regimes auf private Auslandsinvestoren wieder zurücknimmt. Das Thema ins Rollen gebracht hatte 2018 der Walliser Ständerat Beat Rieder mit seinem Vorstoss für eine staatliche Investitionskontrolle. Der Vorstoss war offen formuliert, doch Rieder hatte damals in seinen Begründungen im Ständerat deutlich gemacht, dass es ihm um eine Prüfung von Übernahmen durch staatlich kontrollierte ausländische Akteure geht.
Tiefer Blick in die Augen?
Zum Geltungsbereich des nationalrätlichen Gesetzesvorschlags gehören jenseits gewisser Schwellenwerte unter anderem folgende Firmentypen: zentrale Lieferanten der Schweizer Armee, Kriegsmaterialexporteure, Strom- und Wasserversorger, Zentrumsspitäler, Medikamentenhersteller, Transportunternehmen, grosse Lebensmittelverteiler, Betreiber von Telekommunikationsnetzen, systemrelevante Banken und Finanzinfrastrukturen.
Laut dem Gesetzesentwurf sind solche Übernahmen dann zu verbieten, wenn sie die «öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Schweiz» oder die «Versorgung mit essenziellen Gütern und Dienstleistungen» gefährden oder bedrohen.
Die «öffentliche Ordnung und Sicherheit» wäre gemäss Bundesrat zum Beispiel beim Ausfall einer Schweizer Firma gefährdet, die für die hiesige Volkswirtschaft unentbehrliche und nicht rasch ersetzbare Leistungen erbringt, der Schweizer Armee bedeutende Rüstungskomponenten liefert oder inländischen Behörden zentrale Informatikdienstleistungen zur Verfügung stellt. Zu den «essenziellen Gütern und Dienstleistungen» zählen unter anderem gewisse Medikamente, Lebensmittel, Energie- und Finanzinfrastrukturen.
Doch dies sagt noch nichts darüber aus, ob eine Übernahme betroffener Betriebe durch Ausländer die öffentliche Ordnung oder die Versorgung mit unentbehrlichen Gütern und Dienstleistungen gefährden würde. Es könnte im Gegenteil sein, dass eine solche Übernahme das betroffene Unternehmen und auch die Landesversorgung stärkt. Im Prinzip müsste das Staatssekretariat für Wirtschaft als designiertes Kontrollorgan in einem künftigen Kontrollregime ausländischen Investoren tief in die Augen schauen und dann die entscheidende Frage stellen: «Hast du gute oder böse Absichten?» Ob eine sachdienliche Antwort käme, wäre zumindest zweifelhaft.
Suche nach Warnsignalen
Immerhin liefert der Nationalrat in seinem Gesetzesentwurf gewisse Anhaltspunkte. So wäre «insbesondere» zu berücksichtigen, ob der Investor eine unrühmliche Vergangenheit hat – zum Beispiel wegen Spionagetätigkeiten oder Aktivitäten zulasten der öffentlichen Ordnung in der Schweiz oder in anderen Ländern. Zu berücksichtigen wäre auch, ob der Heimatstaat des Investors schon versucht hat, via Spionage Informationen über die Schweizer Zielfirma zu bekommen.
Doch was wäre ohne konkrete Anhaltspunkte einer dubiosen Vergangenheit des Investors zu tun? Eine klare Antwort dazu war von Beteiligten diese Woche nicht zu erhalten. Die Debatte im Nationalrat machte deutlich, dass vor allem Investoren aus autokratischen Staaten wie China und Russland im Fokus stehen. Wären somit Übernahmen von betroffenen Schweizer Firmen durch Investoren aus autokratischen Ländern generell zu verbieten? Der Gesetzesvorschlag verzichte bewusst auf eine Diskriminierung bestimmter Länder, sagt dazu der Luzerner Mitte-Nationalrat Leo Müller, Mitglied der vorberatenden Wirtschaftskommission.
Zu den geplanten Genehmigungskriterien gehört auch, ob die Leistungen der Schweizer Zielfirma für einen relevanten Zeitraum unersetzbar sind und ob ein Investor durch die Übernahme der Firma Zugang zu bedeutenden sicherheitsrelevanten Informationen oder besonders schützenswerten Daten erhält. Die Bejahung beider Fragen würde wohl eine sehr restriktive Bewilligungspraxis zur Folge haben.
Annahme des schlimmsten Falls?
Bei der Beurteilung von Übernahmen sei vom schlimmsten Fall auszugehen, sagt der Ständerat Beat Rieder, dessen Vorstoss am Ursprung der Debatte stand: Wenn im schlimmsten Fall die öffentliche Ordnung gefährdet wäre, sei die Übernahme zu verbieten. Der schlimmste Fall, das hiesse hier, dass die übernommene Schweizer Firma als Lieferantin in der Schweiz ausfällt – zum Beispiel wegen Verlagerung ins Ausland. Dies könnte auch ohne Firmenübernahme passieren, aber Verlagerungen aufgrund von privaten Entscheiden durch Schweizer Firmen kann man laut Rieder nicht verbieten.
Mit dem Ansatz des Walliser Ständerats müsste die Kontrollbehörde die Absichten von Investoren nicht mehr zwingend zu erraten versuchen. Aber sie müsste unterstellen, dass eine betroffene Schweizer Firma mit einer Übernahme durch Ausländer eher ausfallen wird als ohne Übernahme.
Seltene Verbote
Viele Länder haben schon Erfahrungen mit einer Investitionskontrolle. Typischerweise werden nur wenige Übernahmen verboten. Häufiger kommt es zu Rückzügen von Anträgen.
Das Nachbarland Österreich, das punkto Grösse mit der Schweiz vergleichbar ist, hat im zweiten Halbjahr 2020 eine weitgehende staatliche Investitionskontrolle eingeführt. Laut einer Zwischenbilanz der Kontrollbehörde hat diese bis Ende November 2023 total gut 280 Verfahren abgeschlossen und dabei keine einzige Übernahme verboten. 12 Anträge wurden zurückgezogen. In 16 Fällen bewilligte die Behörde die Übernahme mit Auflagen. Diese betrafen unter anderem Liefer- und Standortverpflichtungen.
Das massgebende Gesetz in Österreich enthält ähnliche Beurteilungskriterien und Risikofaktoren, wie sie nun auch in der Schweiz vorgeschlagen sind. Als zusätzlichen Risikofaktor nennt das Österreicher Gesetz die direkte oder indirekte Kontrolle des ausländischen Investors durch den Staat.