Vortäuschen von Mausbewegungen: Amerikanische Firmen gehen gegen Fake Work vor US-Firmen setzen vermehrt Überwachungssoftware gegen ihre Mitarbeiter ein. Damit wollen sie simulierte Arbeitsaktivität im Home-Office aufdecken. In der Schweiz wäre das in dieser Form nicht denkbar.
US-Firmen setzen vermehrt Überwachungssoftware gegen ihre Mitarbeiter ein. Damit wollen sie simulierte Arbeitsaktivität im Home-Office aufdecken. In der Schweiz wäre das in dieser Form nicht denkbar.
Home-Office-Arbeit hat sich seit der Corona-Pandemie in den meisten Unternehmen etabliert. Da der Arbeitsweg entfällt, steht mehr Zeit für Sport, Malkurse oder das Abholen der Kinder von der Schule zur Verfügung. Home-Office bietet auch mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Work-Life-Balance. So waschen zum Beispiel viele ihre Wäsche in den Pausen oder über den Mittag. Die meisten Mitarbeitenden arbeiten deswegen im Home-Office nicht weniger als im Büro. Aber es gibt auch Schummler, und ihre Maschen werden immer ausgeklügelter.
Während der Pandemie fand sich in Online-Shops eine immer grössere Auswahl von Geräten, mit denen Mitarbeitende Arbeitsaktivitäten vortäuschen können. Auf Tiktok und Reddit entstand ein reger Austausch über «mouse jigglers», auch Mauswackler oder Mausbeweger genannt. Es handelt sich dabei um ein Gerät, in das eine strombetriebene Drehscheibe eingelassen ist. Platziert man die Maus darauf, wird diese mitbewegt.
Auf Temu gibt es solche Mauswackler ab 10 Franken zu kaufen. In den Kommentaren liest man «funktioniert einwandfrei» oder «sehr zu empfehlen». Unter den Käufern, die Bewertungen abgeben, befinden sich auch einige aus der Schweiz. Einer aus Spanien schreibt: «Vielleicht ist die Mausbewegung für einige Überwachungssysteme zu schnell, und es wäre besser, wenn es einige Pausen in der Bewegung gäbe, aber ich bin ziemlich zufrieden mit dem Kauf.»
In den USA haben die Firmen das Problem erkannt und ziehen die Konsequenzen. So hat die kalifornische Bank Wells Fargo laut der Nachrichtenagentur Bloomberg im Mai einem Dutzend Mitarbeitenden aus der Vermögensverwaltung gekündigt, weil sie «den Eindruck aktiver Arbeit» zu erwecken versuchten. Wells Fargo dulde kein unethisches Verhalten seiner Mitarbeitenden.
Algorithmen erkennen Fake Work
Laut dem «Wall Street Journal» benutzen tatsächlich immer mehr amerikanische Unternehmen Softwareprogramme wie Teramind und Hubstaff zur Erkennung von Fake-Work-Aktivitäten. Diese verwenden Algorithmen, die sich wiederholende Mausbewegungen oder unregelmässige Muster in der Computeraktivität einer Person erkennen können. Zudem prüfen einige Softwareprogramme, ob sich die Bildschirmaktivität mit der Bewegung der Computermaus ändert. Die Software macht dazu stichprobenartig Bilder der Bildschirme der Mitarbeitenden.
Die meisten Mauswackler seien nachweisbar, sagt Ilya Kleyman, Chief Growth Officer von Teramind, gegenüber dem «Wall Street Journal». Und auch Geräte, die manuell eine Taste oder eine Maus nach dem Zufallsprinzip antippen könnten, würden von den Algorithmen von Teramind entdeckt. Das habe damit zu tun, dass mit diesen Geräten keine menschlichen Mausbewegungen simuliert werden könnten. Die Software erkenne auch, wenn der Cursor lange Zeit auf derselben Website aktiv sei.
Mit der Software Hubstaff kann das Starten einer Powerpoint-Präsentation erkannt werden, die dazu dient, dass der Computerbildschirm nicht in den Ruhemodus wechselt. Die Hubstaff-Software macht dazu Screenshots von den Bildschirmen der Mitarbeitenden. Tauchen bestimmte Powerpoint-Präsentationen besonders häufig auf, sind die Arbeitgeber alarmiert.
Irène Suter-Sieber ist Partnerin bei der Kanzlei Walder Wyss und Fachanwältin für Arbeitsrecht. Softwares, die wahllos Screenshots von Bildschirmen machen, gehen in der Schweiz ihrer Meinung nach zu weit, selbst wenn der Privatgebrauch des Geschäftscomputers nur eingeschränkt erlaubt oder gar verboten ist.
«Programme, welche systematisch die Bewegungen der Maus analysieren, um einen Mauswackler zu entdecken, sind kaum verhältnismässig», sagt Suter-Sieber. «Bei sogenannten ‹false positives› (Fehlalarmen) kommen auch Arbeitnehmer unter Verdacht, die sich rechtmässig verhalten haben.» Sie würde ihren Klienten grundsätzlich davon abraten, solche stark invasiven Überwachungsprogramme einzusetzen. Beweismittel, die auf diese Weise erlangt worden seien, seien gerichtlich sowieso nicht verwertbar.
Gerechtfertigt sei ihrer Meinung nach aber auf konkreten Verdacht hin der zeitlich beschränkte Einsatz einer Software, die anhand der angeschlossenen USB-Sticks erkenne, ob ein Mauswackler mit dem PC verbunden sei. Hinzu komme, dass die Software zu mindestens 99 Prozent zuverlässig sein müsse. «Das wäre viel gezielter und würde alle anderen Mitarbeitenden, die keinen Mauswackler benutzen, nicht tangieren», so Suter-Sieber weiter.
Strengeres Datenschutzgesetz in der Schweiz
In den USA und China ist der rechtliche Spielraum für Unternehmen im Hinblick auf die Überwachung von Mitarbeitenden viel grösser als in der Schweiz. Durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU sind Arbeitnehmer in Europa besser geschützt. Die Schweiz hat zwar ein eigenes Datenschutzgesetz, das aber an die DSGVO angelehnt ist.
Im Datenschutzgesetz ist auch festgehalten, dass Mitarbeitende mittels einer Datenschutzerklärung über die Beschaffung und Bearbeitung von Personendaten informiert werden müssen. Meistens geschieht das bei der Anstellung oder wenn die Datenschutzerklärung aktualisiert wird. Datenschutzerklärungen sind jedoch generisch formuliert. Darin finden sich zumeist keine spezifischen Regeln zum Einsatz von Überwachungssoftware.
Auch deshalb müssen Arbeitnehmer ihre Mitarbeitenden zusätzlich informieren, wenn sie eine solche Software einsetzen möchten. Meistens kann man nur schon mit einer solchen Ankündigung Missbrauch verhindern. Denn Mitarbeitende, die einen solchen Mauswackler benutzen, werden diesen dann mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr einsetzen.
Schweizer Unternehmen sind – nicht zuletzt weil im September 2023 das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft getreten ist – für den Datenschutz sensibilisiert. «Ich habe bislang noch keine Anfrage von Klienten erhalten, ob sie solche extrem invasiven Überwachungssoftwares in der Schweiz einsetzen dürfen», sagt Irène Suter-Sieber. Anfragen zur Anwendung von Bewegungsmeldern, die überwachten, ob die Arbeitnehmer sich am Arbeitsplatz aufhielten, seien hingegen schon eingegangen. Auch solche seien in der Schweiz problematisch.
Isabelle Wachter, «Neue Zürcher Zeitung»