Die Kreditklemme am Schweizer Immobilienmarkt belastet Investoren – und wohl bald auch die Mieter Die neuen Eigenkapitalregeln «Basel III» schränken das Kreditangebot ein. Die höheren Finanzierungskosten verstärken die Krise im Wohnungsbau.

Die neuen Eigenkapitalregeln «Basel III» schränken das Kreditangebot ein. Die höheren Finanzierungskosten verstärken die Krise im Wohnungsbau.

Experten warnen vor den Folgen der neuen Bankenregulierung «Basel III»: Symbolbild zum Neubau von Wohnungen. (Pexels)

Der Unternehmer und Immobilienentwickler M.* steht auf einer ruhig gelegenen Parzelle in einem Vorort von Zürich, den Zürichsee im Blick. Seine Sorgen kreisen um die Frage, ob dieses Grundstück ungewollt das Ende seines Unternehmertums markieren könnte.

Mit seinem eigenen Namen und dem seiner Firma öffentlich über die akuten Finanzierungsprobleme sprechen will er nicht. Zu gross sei die Gefahr, dass die kritische Entwicklung in seinem Geschäftsbereich potenzielle Kunden abschrecken könnte.

Was aus einem alten Haus werden könnte

Hier, auf einer über 3000 Quadratmeter grossen Parzelle, steht derzeit noch ein verlassenes Einfamilienhaus aus den 1960er Jahren. Der Unternehmer hat eine Vision. Statt des veralteten Gebäudes soll hier ein modernes Wohnprojekt entstehen – mit Platz für rund zwanzig Eigentumswohnungen. Doch die Realität holt ihn ein, noch bevor er überhaupt an Baupläne, Bagger, Beton und einen neuen Garten denken kann.

Als er bei der UBS wegen der Finanzierung nachfragt, gibt ihm sein Kundenberater eine niederschmetternde Antwort: Der zuständige Risikomanager habe entschieden, die ursprünglich offerierte Kredithöhe deutlich zu reduzieren, so der Unternehmer frustriert. Statt der gewünschten 12 Millionen Franken für den Landkauf bewilligt die Bank nur 7,2 Millionen.

Laut NZZ-Information ist dies kein Einzelfall: Viele Banken haben die maximale Kredithöhe bei Landkäufen deutlich gesenkt.

Nicht nur das. Zusätzlich verteuern sich die Kredite, weil die Banken höhere Margen verrechnen. Der erwähnte Unternehmer und sein Team sind schon seit mehr als zwanzig Jahren im Geschäft und haben Projekte von weit über einer Milliarde Franken realisiert. Doch so etwas haben sie noch nie erlebt, er spricht sogar von einem «Credit-Crunch», einer Kreditklemme.

Welche Rolle spielt «Basel III»?

Derzeit hat der Unternehmer in verschiedenen Gemeinden im Raum Zürich rund hundert Neubauwohnungen in Entwicklung. Doch kein einziges Projekt läuft so reibungslos, wie das früher der Fall gewesen wäre.

Was die ganze Branche verunsichert und viele Grundstückkäufe für Neubauten ruhen lässt, ist das neue Regelwerk «Basel III», das seit dem 1. Januar für alle Schweizer Banken gilt. Dieses verteuert zum Beispiel Finanzierungen in einer höheren Risikostufe – eben zum Beispiel den Erwerb von Bauland – wesentlich. Die Banken müssen solche Kredite mit wesentlich mehr eigenen Mitteln unterlegen als bisher.

Der Unternehmer M. schätzt, dass sich die Margen der Banken für solche Geschäfte verdoppeln könnten – wenn die Banken überhaupt noch auf solche Geschäfte einsteigen. Teilweise gebe es überhaupt keine Kredite mehr, und verfügbares Bauland an besten Lagen finde mangels Liquidität im Markt keine Käufer, sagt der Unternehmer.

Von Zürich bis Liechtenstein

Auf der Suche nach Kapital klopfte er in verschiedenen Kantonen an und stellte Anfragen, sogar in Liechtenstein. Dort gab es zunächst noch Kredite für Wohnbauprojekte, bis der Ansturm auch die liechtensteinischen Banken zu einem Kreditstopp zwang.

Zur Kreditklemme trägt auch die Fusion von UBS und Credit Suisse (CS) bei. Die UBS habe das von der CS stammende Kreditportfolio massiv reduziert. Andere Banken hätten die entstandene Lücke nicht gefüllt.

Ein UBS-Sprecher schreibt in einer Stellungnahme dazu, dass Hypotheken für die Bank ein «Ankergeschäft mit unverändert hoher Priorität» blieben. Allgemeingültige Aussagen könnten aber nicht gemacht werden. «Die Kosten von Hypotheken hängen von verschiedenen Faktoren ab, die sehr individuell ausfallen können.»

Kreditmarkt am Limit

Fälle wie derjenige von M. sind keine Ausnahme mehr. Der Immobiliensektor kämpft in der Schweiz mit einer Verknappung der Liquidität.

«Aufgrund von ‹Basel III› sind Banken gezwungen, ihr Hypothekengeschäft zu reduzieren», sagt Hans R. Holdener, Mitgründer und Verwaltungsrat der Helvetica Property Group AG.

Früher erhielten Bauherren bei Neubauprojekten Kredite in der Höhe von 60 bis 80 Prozent – insbesondere im Wohnbereich an guten Lagen. Heute sei das undenkbar. «Die Kreditvergabe für neue Wohnbauvorhaben oder der Erwerb von Grundstücken ist praktisch zum Erliegen gekommen. Das führt unweigerlich dazu, dass Investitionen und die Bautätigkeit zurückgehen», erklärt Holdener.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) bestätigt in einer Stellungnahme, dass es im Zug von «Basel III» vor allem bei «höher belehnten Renditeobjekten» zu Veränderungen komme. Etwas vereinfacht gesagt, rücken diese Finanzierungen in eine höhere Risikostufe. Die Bank muss dazu mehr Eigenkapital verfügbar halten.

Umgekehrt fielen aber die sogenannten Risikogewichtungen bei selbst genutztem Wohneigentum mit Belehnungen bis zu 80 Prozent klar tiefer aus, schreibt die Sprecherin der Finma. Dies wiederum habe positive Effekte und reduziere den Bedarf an Eigenmitteln der Banken.

Die Behörde verweist dabei auf den gesamten Zusammenhang: Die Stresstests der Finma zeigten, dass den Banken in einer schweren Immobilienkrise Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe entstehen könnten. Und einige Institute hätten zu wenig Eigenmittel, um entsprechende Verluste auf Hypotheken zu tragen.

Mehr Regulierung, weniger Lösungen

Hans R. Holdener von Helvetica Property sieht «Basel III» aber nur als Teil eines grösseren Problems, wie er weiter ausführt: «Wir haben immer mehr Regulierungen im Baubereich, und in der Schweiz ist wegen der Lex Koller kein ausländisches Kapital im Wohnungsbau zugelassen.»

Joël Buntschu, Leiter Immobilien bei der Treuhandgesellschaft BDO, verfolgt die Wende bei den Finanzierungen ebenfalls mit Sorge: «Viele Banken akquirieren zwar Kundengelder, platzieren diese aber spürbar weniger als früher in Form von Hypotheken im Kreditgeschäft.» Dabei begründeten die Banken dies ausdrücklich mit der Regulierung.

«So stehen die Mittel nicht für Investitionen zur Verfügung, sondern werden mit Priorität dazu verwendet, die Eigenkapitaldecke der Bank zu erhöhen», erklärt Buntschu. Dies sei zwar im Sinne der Gesetzgebung und der Finma. Es habe aber unweigerlich zur Konsequenz, dass bei weitem nicht genügend Kapital zur Verfügung stehe, um in ausreichendem Mass neue Projekte zu finanzieren.

Wenn Projektentwickler selbst mehr Eigenkapital auftreiben müssen und die Finanzierungskosten steigen, hat dies weitreichende Folgen, wie der Experte Buntschu weiter sagt: «Zahlreiche Vorhaben werden verzögert oder ‹on hold› gesetzt.» Für viele Promotoren im Wohnungsbau sei es nicht möglich, so wie bisher gleichzeitig mehrere Vorhaben zu initiieren und voranzutreiben. «So wird das Volumen an neuen Projekten reduziert», folgert Buntschu.

Der Dominoeffekt auf dem Wohnungsmarkt

Die restriktive Kreditvergabe führt zu einem Dominoeffekt, der sich direkt auf die Angebotsseite des Wohnungsmarktes auswirkt. Holdener beschreibt die Konsequenzen klar und deutlich: «Der erschwerte Zugang zu Fremdkapital und höhere Finanzierungskosten führen zu substanziell steigenden Mieten. Am Ende zahlt der Mieter.»

Eine ausreichende Verfügbarkeit von Kapital ist inzwischen ein Privileg, das nur noch wenigen, oft institutionellen Investoren vorbehalten bleibt. Für private Bauträger und kleinere Entwickler hat sich der Immobilienmarkt zu einem Spiessrutenlauf entwickelt. «Bei riskanteren Projektfinanzierungen und bei Belehnungen von über 50 Prozent machen viele Banken gar kein Angebot mehr, weil es nicht mehr attraktiv ist», sagt der Experte Joël Buntschu nüchtern.

So hätten vor allem Anlageobjekte an zweitklassigen Lagen, Projektentwicklungen für den Eigentumsmarkt und Gewerbeimmobilien mit bestimmten Nutzungen wie Ladenflächen oder Restaurants mit Schwierigkeiten und höheren Zinsen zu kämpfen. In der Konsequenz werden sich viele Unternehmer gar nicht mehr an solche Projekte heranwagen.

Die derzeitigen Regulierungen haben den Schweizer Immobiliensektor in eine Sackgasse geführt, wie Joël Buntschu sagt: «Es ist absurd, dass der Markt nach Wohnungen schreit, aber Fremdkapital fehlt, um Projektentwicklungen zu realisieren.»

Jürg Zulliger, «Neue Zürcher Zeitung»

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