Verträge mit der EU: Parmelin erzielt Durchbruch beim Lohnschutz Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern Eckwerte für eine Einigung ausgehandelt. Damit verbessern sich die Chancen der neuen Abkommen mit der EU.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat mit den Gewerkschaften und den Arbeitgebern Eckwerte für eine Einigung ausgehandelt. Damit verbessern sich die Chancen der neuen Abkommen mit der EU.

Bundesrat Guy Parmelin ist im EU-Dossier für den schwierigen Teil des Lohnschutzes zuständig. (PD)

Und sie bewegen sich doch. Monatelang haben die Exponenten der Wirtschaftsverbände und der Gewerkschaften Vorwürfe und Unfreundlichkeiten ausgetauscht, noch Anfang Jahr sah es so aus, als könnten ihre Gespräche scheitern.

Nun aber hat es geklappt: Der Wirtschaftsminister Guy Parmelin hat nach der Bundesratssitzung am Mittwoch bekanntgegeben, dass die Sozialpartner im Dauerstreit um den Lohnschutz eine Einigung erzielt haben. Einvernehmlich haben sie einen Katalog von elf Massnahmen beschlossen, die den Lohnschutz sichern sollen, falls die neuen bilateralen Abkommen Schweiz – EU umgesetzt werden.

Allerdings bleibt der Deal fragil. Das zeigt sich daran, dass der Bundesrat neben den elf gemeinsamen Massnahmen zwei weitere Vorschläge in Eigenregie beschlossen hat, für welche die explizite Zustimmung der Sozialpartner (noch) aussteht. Hier geht es um die knifflige Frage, unter welchen Umständen der Bund Gesamtarbeitsverträge (GAV) für ganze Branchen für allgemeinverbindlich erklären und gegen den Willen betroffener Unternehmen durchsetzen darf.

Die Arbeitgeber bieten Hand, damit in Zukunft bestehende GAV, die bereits allgemeinverbindlich sind, einfacher verlängert werden können. Dies soll helfen, den Lohnschutz zu sichern, weil diese Verträge auch für Firmen aus der EU gelten. Hingegen spricht sich die Wirtschaft klar dagegen aus, dass der Abschluss neuer allgemeinverbindlicher GAV vereinfacht wird.

Besserer Kündigungsschutz für Personalvertreter

Dem Vernehmen nach soll es darüber hinaus sogar noch eine weitere, vierzehnte Massnahme geben, über die Parmelin aber nicht von sich aus informierte. Hier geht es ebenfalls um ein altes Streitthema: den Ausbau des Kündigungsschutzes für Gewerkschafter und andere Personalvertreter. Zur Debatte steht unter anderem, die maximale Entschädigung nach missbräuchlichen Entlassungen von sechs auf zwölf Monatslöhne zu erhöhen.

Das Thema hat zwar nicht direkt mit dem EU-Dossier zu tun, gehört aber schon lange zum Forderungskatalog der Gewerkschaften – und dürfte für die Wirtschaft leichter verschmerzbar sein als andere Wünsche wie eine Verschärfung im Bereich der Temporärarbeit.

Bis Ende März muss das Departement Parmelin in Absprache mit Sozialpartnern und Kantonen sämtliche Massnahmen konkret definieren. Dann wird sich zeigen, ob der Schulterschluss gelingt. Danach sollen die Pläne zum Lohnschutz mit allen Abkommenstexten und Umsetzungsvorlagen des EU-Pakets im Juni in die Vernehmlassung gehen.

Schlüsselrolle der Gewerkschaften

Auslöser der Sozialpartnergespräche sind die neuen und revidierten Abkommen mit der EU, die der Bundesrat abschliessen will. Weil sie vor allem von der SVP massiv bekämpft werden, spielen die Gewerkschaften und die mit ihnen verbündeten linken Parteien machtpolitisch eine Schlüsselrolle. Wenn sie das Vertragspaket ebenfalls angreifen, hat es in der Volksabstimmung, die frühestens 2028 stattfinden dürfte, kaum eine Chance.

Doch die Unterstützung ist nicht gratis. Die Gewerkschaften verlangen Konzessionen der Wirtschaft, weil die Abkommen auch den Lohnschutz betreffen. Zum Beispiel wird die Anmeldefrist für Handwerksbetriebe aus der EU, die in der Schweiz einen Auftrag ausführen wollen, von acht Kalendertagen auf vier Arbeitstage verkürzt. Dies erschwert die Organisation der Lohnkontrollen. Zudem müssten Firmen aus der EU nur noch dann eine Kaution hinterlegen, wenn sie bereits einmal wegen Verletzung der hiesigen Lohn- und Anstellungsbedingungen gebüsst wurden. Probleme gibt es zudem bei den Spesen sowie den Sanktionen gegen Unternehmen, die nicht korrekt arbeiten.

Der Grossteil der Massnahmen ist eher technischer Natur und soll vor allem die Durchführung wirkungsvoller Lohnkontrollen sicherstellen. Unter anderem müssten künftig Firmen, die Aufträge an Subunternehmen vergeben, für diese haften, falls sie etwa zu tiefe Löhne bezahlten. Zudem wollen die Sozialpartner die bisherige Regelung der Dienstleistungssperre gegenüber ausländischen Betrieben, welche die Vorschriften missachten, rechtlich absichern.

Maximallösung im Streit um die Spesen

Schwierig bleibt das Thema der Spesen. Die Schweiz muss unter dem Druck der EU eine Richtlinie übernehmen, laut der Firmen bei Einsätzen in anderen Ländern keine höheren Spesen bezahlen müssen als in ihrem Heimatstaat. In der Schweiz sind sich jedoch alle Beteiligten einig, dass man diese Vorschrift nicht umsetzen will – wie dies auch mehrere westliche EU-Länder handhaben.

Nun haben sich die Sozialpartner und der Bundesrat für die Maximallösung ausgesprochen: Sie wollen ausdrücklich gesetzlich festschreiben, dass hierzulande weiterhin Schweizer Spesen bezahlt werden müssen. Ob dies rechtlich ausreicht, wenn sich eine Firma aus der EU wehren sollte, ist umstritten.

Die offiziellen Stellungnahmen der Gewerkschaften fielen am Mittwoch positiver aus als früher, aber immer noch skeptischer als die der Arbeitgeber. Der Gewerkschaftsbund spricht von einem «ersten Schritt in die richtige Richtung», und Travail Suisse bestreitet, dass bereits ein Durchbruch stattgefunden habe. Offenkundig wollen beide Verbände zuerst wissen, was genau bei den GAV und beim Kündigungsschutz geplant ist.

Fabian Schäfer, Bern, «Neue Zürcher Zeitung» 

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